BNF: seit 35 Jahren den Menschen zur Seite

Der "Bäuerliche Notstandsfonds - Menschen helfen" (BNF) hilft, und das seit 35 Jahren. (Foto: www.pixabay.com)

Als einziges Kind hat Annemarie den elterlichen Hof schon früh übernommen. Obwohl die Schuldenlast schwer drückte, führte sie den kleinen Bergbauernhof mit viel Freude und großem Einsatz. Ihre Eltern halfen ihr, solange es ging.  Nebenbei arbeitete Annemarie noch auswärts. Später heiratete sie, brachte zwei Kinder zur Welt und pflegte ihre Eltern bis ins hohe Alter.

Plötzlich, aus heiterem Himmel, erhielt Annemarie die Diagnose Krebs in fortgeschrittenem Stadium. Nach einer Operation und Chemotherapien schöpfte die Familie neue Hoffnung. Doch der Krebs kam zurück, Annemarie starb wenig später. 

Für die junge Familie ein herber Verlust, die Mutter und Ehefrau fehlt einfach überall. Der Witwer muss seine bisherige Arbeit aufgeben, damit er sich um die schulpflichtigen Kinder kümmern und den Hof bewirtschaften kann. Vielleicht wird ihn eines Tages eines der beiden übernehmen und weiterführen.

Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Zur Trauer kommen finanzielle Nöte, die Lage scheint ausweglos. Doch es gibt Hoffnung: Denn die Solidarität vieler Menschen angesichts schwerer Schicksale ist groß. Ihre Spenden zu sammeln, zu bündeln und Bedürftigen in Notfällen rasch und unbürokratisch unter die Arme zu greifen, hat sich der Bäuerliche Notstandsfonds zur Aufgabe gemacht.

So hat er auch im Fall der Hinterbliebenen von Annemarie schnell reagiert und Spenden für die Familie gesammelt: Durch die finanzielle Unterstützung des Bäuerlichen Notstandsfonds kann der Hof weitergeführt werden, die Ausbildung der beiden Kinder ist gesichert. Ihr Vater ist finanziell entlastet. Das gibt Hoffnung, die Familie kann neuen Mut schöpfen und Schritt für Schritt zurück ins Leben finden.


Am 15. März gegründet
Fälle wie diesen gibt es viele. Darum wurde der Bäuerliche Notstandsfonds gegründet: am 15. März 1990 als „Notstandsvereinigung der Südtiroler Bauern“ mit Sitz beim Südtiroler Bauernbund, damals noch in der Brennerstraße 7/A in Bozen. Denn die Initiative war vom Südtiroler Bauernbund und den bäuerlichen Organisationen ausgegangen. Ursprünglich war die Hilfsorganisation nur für bäuerliche Familien angedacht, im Laufe der Jahre hat man die Leistungen auch auf nicht-bäuerliche Familien ausgedehnt.

Ziel und Zweck der Organisation ist es nach wie vor, unverschuldet in Not geratenen Familien und Einzelpersonen in Südtirol zur Seite zu stehen, z. B. bei Todesfällen, schweren Krankheiten, Unfällen, die nicht nur Leid über die Familie, sondern sie auch in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Auch bei Brandkatastrophen, Unwetterschäden und Tierausfällen werden Unterstützungsanträge angenommen, sofern keine Versicherung für den Schaden aufkommt.

In den letzten 35 Jahren wurden vom Vorstand des Bäuerlichen Notstandsfonds insgesamt 3384 Gesuche (2558 von bäuerlichen Bewerbern und 826 von nicht-bäuerlichen) bearbeitet, davon konnten 2965 positiv bewertet und den entsprechenden Antragstellern unter die Arme gegriffen werden. Die ausbezahlte Spendensumme für direkte Unterstützungsauszahlungen, Finanzierungen über „Ethical Banking“ sowie Ankäufe bzw. Kosten für den Ab- und Wiederaufbau der Holzhäuser belief sich insgesamt auf 33,4 Millionen Euro. Ermöglicht wurde dies dank der Spenden­einnahmen in Höhe von 32,3 Millionen Euro und Mitteln aus Verlassenschaften.


Zertifizierung „Sicher spenden“
Der erste Vorstand des Vereins bestand aus Rosa Viehweider, Anna Haller, Franz Hochrainer, Leopold Kager, Rupert Mayr und Josef (Sepp) Dariz, der zum ersten Obmann gewählt wurde. Er ist es bis heute. Am 23. Mai 1990 kam man zur ersten Vollversammlung zusammen, am 14. November desselben Jahres zur ersten Vorstandssitzung. Vier Jahre später, am 19. Oktober 1994, wurde der Verein mit Dekret des Landeshauptmannes ins Landesverzeichnis der ehrenamtlich tätigen Organisationen eingetragen, im Jahr 2000 schließlich wurde mit Statutenänderung die neue Bezeichnung „Bäuerlicher Notstandsfonds (BNF)“ eingeführt.

„In den Anfangsjahren ging es vor allem darum, den Verein und seine Aufgabe in der Südtiroler Bevölkerung bekannt zu machen und Spenden zu sammeln“, erzählt Obmann Sepp Dariz. Dafür wurden Events organisiert und Aktionen gestartet. Dabei spielte Gerda Furlan eine maßgebliche Rolle. Die damalige Frau des ehemaligen Landeshauptmanns Luis Durnwalder ist seit 1995 Mitglied des Bäuerlichen Notstandsfonds und verstand es, ihre vielen Kontakte für den guten Zweck zu nutzen. Das trug Früchte: Inzwischen ist der Bäuerliche Notstandsfonds als Hilfsorganisation landesweit bekannt und geschätzt.

Zum guten Ruf trug auch die Zertifizierung „Sicher spenden“ bei, ein Qualitätssiegel, das der Bäuerliche Notstandsfonds seit 2009 tragen darf. Diese Zertifizierung ist eine Garantie für die Glaub- und Spendenwürdigkeit einer Hilfsorganisation. Jedes Jahr müssen alle Unterlagen zur Überprüfung bei der entsprechenden Kommission eingereicht werden. Die Zertifizierung hat eine Gültigkeit von jeweils drei Jahren, die Verlängerung muss immer neu beantragt werden.


Gut vernetzt und stark getragen
Nach wie vor sind großzügige Privatpersonen, Vereine, Firmen, Pfarreien und andere Partner die Grundlage des Vereins, um Menschen schnell und diskret helfen zu können. Eine wichtige Rolle spielen die bäuerlichen Organisationen, insbesondere die Bäuerinnen, Bauernjugend und auch die Gärtner, die bei verschiedenen Anlässen Spenden für die Hilfsorganisation sammeln.

Ein ehrenamtlicher Vorstand leitet den Bäuerlichen Notstandsfonds, er wird aus den Reihen der Mitglieder in der Vollversammlung gewählt. Die Vorstandsmitglieder sind hauptsächlich in ihrem Bezirk tätig. Sie betreuen einzelne Familien und Personen in Notsituationen, oft auch über einen längeren Zeitraum, und sind in erster Linie emotionale Stütze, aber auch wichtige Ratgeber für die Betroffenen.

Darüber hinaus arbeitet der Bäuerliche Notstandsfonds mit spezialisierten Beraterinnen und Beratern zusammen: So unterstützen die Bezirksleiterinnen und -leiter des Südtiroler Bauernbundes und einige Fachabteilungen die Mitarbeiter und den Vorstand des Bäuerlichen Notstandsfonds und bei Bedarf auch die bäuerlichen Gesuchsteller bei steuerlichen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen oder in Versicherungsangelegenheiten.

Für die Betreuung von Bergbauernfamilien, die unter schwierigen und teilweise extremen Bedingungen ihre Höfe bewirtschaften und weiterführen, arbeitet man eng mit dem Verein freiwillige Arbeitseinsätze (VFA) zusammen.

Über den Südtiroler Bauernbund werden auch Finanzierungsberatungen für bäuerliche Familien abgewickelt. Für die Krisen- und Trauerbegleitung sind zwei eigens dafür ausgebildete Expertinnen für den Bäuerlichen Notstandsfonds unterwegs. Ihr Schwerpunkt liegt in der Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die den Verlust eines Elternteils zu verarbeiten haben. Mit dem Projekt „Lebendig trauern“ wurde 2024 diesem wichtigen Thema noch mehr Bedeutung geschenkt.


Spenden gehen zu 100 Prozent an Bedürftige
Um seinen Auftrag erfüllen zu können, stützt sich der Bäuerliche Notstandsfonds auf hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie sind erste Ansprechpartner für alle Antragstellerinnen und Antragsteller, für Spenderinnen und Spender, für Partner und öffentliche Körperschaften und stehen in ständigem Kontakt und Austausch mit den Vorstandsmitgliedern.

Die Steuerzahlerinnen und -zahler haben die Möglichkeit, dem Bäuerlichen Notstandsfonds fünf Promille ihrer Einkommensteuer zuzuführen. Mit diesen Mitteln werden in erster Linie die Verwaltungsspesen des Vereins bezahlt, vor allem die Gehälter. „So ist es möglich, dass der Bäuerliche Notstandsfonds alle Spenden zu 100 Prozent an die Bedürftigen weitergeben kann“, erklärt Obmann Sepp Dariz nicht ohne Stolz. Mit den fünf Promille werden teils aber auch Projekte finanziert.

Verleih von Holzblockhäusern
Der Verein hat sich über die Jahre weiterentwickelt und bietet neben konkreter finanzieller Hilfe auch noch weitere Hilfsprojekte an. Beispielsweise durch den Verleih von Holzblockhäusern: Denn die Folgen von Bränden oder Naturkatastrophen sind oft dramatisch. Wenn auch das Wohnhaus betroffen ist, hat der Bäuerliche Notstandsfonds seit 1995 Holzhäuser angekauft, um sie an Familien in solchen Notsituationen verleihen zu können. Auch bei dringend notwendigen Sanierungen kommen die Gebäude zum Einsatz, denn so kann die betroffene Familie am Hof bleiben, die Bauarbeiten begleiten und nicht zuletzt die Tiere versorgen. Insgesamt konnten damit im Laufe der Jahre 28 Familien unterstützt werden. In diesem Jahr wurden zusätzlich mobile Wohncontainer angeschafft.

Förderkredite Ethical Banking
Ethical Banking ist seit dem Jahre 2000 ein Geschäftsfeld der Raiffeisenkasse Bozen und der beteiligten Raiffeisenkassen Südtirols. Über eine eigene Spar- und Finanzierungslinie des Bäuerlichen Notstandsfonds können Anleger damit Projekte der bäuerlichen Solidarität finanzieren und unterstützen. Unverschuldet in Not geratene Familien erhalten so finanzielle Unterstützung durch zinsgünstige Kredite.

Insgesamt konnten über dieses Projekt bisher Kredite im Umfang von zehn Millionen Euro an insgesamt 59 landwirtschaftliche Betriebe gewährt werden. Aktuell gibt es 36 Kreditnehmer, verteilt auf die beteiligten Raiffeisenkassen im ganzen Land.

„Zukunft schenken“ – Ausbildung als Zukunftschance
Auch in Südtirol ist es nicht allen Familien möglich, ihren Kindern die Ausbildung zu ermöglichen, die sie sich vielleicht wünschen. Aus diesem Grunde wurde 2007 das Projekt „Zukunft schenken“ ins Leben gerufen. Es bietet Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Familien Ausbildungschancen und damit eine Perspektive. Auch dank der jahrelangen Unterstützung des „Kiwanis Club Bozen“ konnten über dieses Projekt 263 Jugendliche unterstützt werden, die meisten über einen längeren Zeitraum. Dafür wurden Mittel in Höhe von 800.000 Euro zur Verfügung gestellt.

Wohnraum für Frauen in Not
In Zusammenarbeit mit der Bezirksgemeinschaft Eisacktal und der b*coop Bürger*innen-Genossenschaft Brixen ist es dem Bäuerlichen Notstandsfonds im Jahr 2024 gelungen, eine Wohnung für Frauen mit Kindern unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Sie wird nach einem Aufenthalt im Frauenhaus als Übergangswohnung überlassen. Die Zuweisung der Wohnung erfolgt über die Sozialdienste der Bezirksgemeinschaft, die Führung obliegt der Bürger:innengenossenschaft.

Lebensmittel und Wertgutscheine
Essen ist ein Grundbedürfnis und gesunde Lebensmittel ein wichtiger Teil davon. Deshalb unterstützt der Bäuerliche Notstandsfonds in Zusammenarbeit mit der Landestafel Südtirol (Banco Alimentare) seit drei Jahren Lebensmitteltafeln am Land mit saisonalen Lebensmitteln aus Südtirol.

Kinder und Jugendliche aus Familien, die im Laufe eines Jahres vom Bäuerlichen Notstandsfonds betreut werden, erhalten an Weihnachten ein kleines, aber besonderes ­Geschenk: einen Wertgutschein („Monni Card“). Damit können sie sich einen persönlichen Wunsch erfüllen, was ihren Eltern in deren Situation vielleicht nicht möglich wäre.

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Eine Betroffene berichtet

„Die Situation, in die meine Familie und ich plötzlich geraten sind, war eine der größten Herausforderungen unseres Lebens. Unerwartet fanden wir uns in einer finanziellen und emotionalen Notlage wieder, die uns zunächst hilflos und verängstigt zurückließ. Wir mussten mit Ängsten und Sorgen über unsere Zukunft kämpfen und wussten nicht, wie wir die alltäglichen Bedürfnisse unserer Familie weiterhin erfüllen sollten. Es war eine sehr schwierige Zeit, in der wir uns oft von Sorgen erdrückt, allein und verzweifelt fühlten.

Der erste Kontakt mit dem Bäuerlichen Notstandsfonds war ein entscheidender Moment für uns. Sowohl über einen guten Kollegen meines verstorbenen Mannes, der den Kontakt mit einem Vorstandsmitglied herstellte, als auch über das Bauernbund-Bezirksbüro in Meran wurden wir auf die Unterstützungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht, und wir haben uns schnell entschieden, Hilfe zu suchen. Es war ein seltsames und gleichzeitig erleichterndes Gefühl, plötzlich nicht mehr allein mit unseren Sorgen zu sein. Die Möglichkeit, Hilfe anzufragen, war nicht einfach, da es uns Überwindung kostete. Doch der erste Kontakt mit den Mitarbeitern des Bäuerlichen Notstandsfonds war sehr einfühlsam und verständnisvoll, was uns sehr geholfen hat, den Schritt zu wagen.

Die Unterstützung, die wir vom Bäuerlichen Notstandsfonds erhalten haben, war für uns von unschätzbarem Wert. Besonders wichtig war für uns die schnelle, unbürokratische Hilfe, die es uns ermöglichte, finanzielle Hindernisse zu überwinden und wieder eine Perspektive zu sehen.

Die Mitarbeiter waren stets freundlich, geduldig und gaben uns das Gefühl, dass wir nicht nur als Fallnummer, sondern als Menschen behandelt wurden. Das Vertrauen, das wir aufbauen konnten, und die kontinuierliche Betreuung machten es uns leichter, wieder Hoffnung zu schöpfen und nach Lösungen zu suchen.

Heute sind meine Kinder und ich in einer besseren Situation. Wir haben es geschafft, wieder auf eigenen Füßen zu stehen, und können unseren Alltag bewältigen. Dabei war die Unterstützung des Bäuerlichen Notstandsfonds ein entscheidender Baustein auf diesem Weg.“

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Bild: www.pixabay.com